Unser Leben ist die Summe aller Sinneswahrnehmungen. Und deshalb setzen wir Künstler*innen uns auch intensiv mit dem Thema „Sinne“ auseinander. Hier ein paar unserer Gedanken:

Sehen

Das Sehen liefert bis zu 80 Prozent der Informationen über die Außenwelt und beschäftigt ein Viertel des Gehirns – der Sehsinn ist das wichtigste Sinnessystem des Menschen und das am intensivsten erforschte.

Sehen spielt für mich in der visuellen Kunst besonders bei Filmen, Animationen und Videospielen eine wichtige Rolle. Durchdachte Kameraarbeit und animierte Bewegungen sind wichtig, um eine Szene zum Leben zu erwecken. Dabei spielen Sehgewohnheiten und psychologische Effekte eine große Rolle, wenn es darum geht, wie und was der Betrachter von dem Gesehenen aufnimmt.

Daniel Mihaila

Ich bin auf einem Auge blind und schon deshalb ist das Sehen der wichtigste Sinn für mich.

Als ich meinen Führerschein machte fiel auf, dass ich auch auf dem anderen Auge fast blind war. Durch eine Operation konnte die Sehfähigkeit wieder hergestellt werden. Aber für mich war das ein Schlüsselerlebnis: als die Augenklappe entfernt wurde, konnte ich die Welt in derart leuchtenden Farbe sehen wie nie zuvor in meinem Leben. Für mich war das wie ein Wunder; ich sah die Welt (im wahrsten Sinne) mit anderen Augen.

Giuseppe Tore

Menschen die die volle Sehkraft besitzen, übersehen leider oft, dass sichtbar Wesentliche. Nur durch genaues Hinsehen können sich Dinge, Situationen oder Eindrücke zu einer neuen persönlichen Erfahrung entwickeln bzw. neu bewertet werden. Besonders in der „neuen Medienwelt“ ist genaues Hinsehen wichtiger denn je. Sehen erzeugt persönliche Emotionen und damit wiederum Reaktionen, ob nun richtig oder falsch. Deshalb ist für mich, genaues Hinsehen so wichtig.

Lutz Walczok

Sehen bedeutet auch Licht. Als Fotografin ist deshalb das Sehen für mich die wichtigste Sinneswahrnehmung und ich stelle mir oft die Frage, wie es ist, sein Augenlicht zu verlieren. Also habe ich mich 2019/2020 intensiv damit befasst und für die Ausstellung „Mit anderen Augen sehen“ ein Video mit blinden/sehbehinderten Menschen gemacht. Wer wirklich wissen möchte, wie man in absoluter Dunkelheit leben kann, dem empfehle ich das autobiografische Buch sowie den daraus entstanden Dokumentarfilm „Notes on Blindness“ von John M. Hull. Daraus entstanden ist auch ein großartiges VR-Experiment von ARTE.

Vera Greif

Riechen

Vom Geruchssinn wird angenommen, dass er der entwicklungsgeschichtlich älteste unserer Sinne ist. Düfte und Gerüche haben eine sehr wichtige Bedeutung für unsere Emotionen und unsere psychische Verfassung.

Von allen Sinnen interessiert mich am meisten der Geruchsinn. Tausende Düfte und Gerüche sind lebenslang gespeicherte Erinnerungen. Meine Kindheit auf dem Lande ist unweigerlich mit dem Duft der Felder, Wälder,dem Heu, dem frisch gemähten Gras, der feuchten Erde bei Regen und dem Duft der vielen Pflanzen und Blumen verbunden. Selbst die Stallgerüche gehören zu den angenehmen Erinnerungen. Ob uns ein Geruch angenehm ist oder nicht, hat viel mit innerer Einstellung und Erlebten zu tun.

Brigitte Storch

Riechen erzeugt immer ein auch Bild im Kopf, ob in der Erinnerung geprägt oder als neuen mit der Situation verbundenen Eindruck. Für mich sind die olfaktorischen und visuellen Zusammenhänge als künstlerisches Thema spannend, da die Abhängigkeiten sofort eine Reaktion nach sich ziehen.

Lutz Walczok

Ich esse gerne und verbinde damit nicht nur den Geschmack, sondern vor allem auch den Geruch. Ein besonders intensives Erlebnis ist das Betreten eines Gewürzhauses. Die vielen bekannten und unbekannten Gerüche ergeben eine wahre Sinnesexplosion in der Nase und ihr Duft kann mich in weit entfernte Länder versetzen. Es sind eben diese Gewürze mit ihren intensiven Gerüchen, die einem Gericht erst zu einem besonders gutem Geschmack verhelfen.

Vera Greif

Tasten

Über den Tastsinn erfahren wir schon im Mutterlaib die eigenen Körpergrenzen. Nach der Geburt erweitern wir unsere Erfahrungen von Raum, Distanz und Nähe. Berührungen haben außerdem die wichtige soziale Funktion, in Kontakt zu treten, Beziehungen aufzubauen und Bindung zu wichtigen Menschen im Leben aufrecht zu erhalten.

Der Tastsinn ist der wichtigste Sinn für mich bei der Arbeit. Man muß Kontakt aufnehmen zum Material. Nur durch Berührung erfährt man den Tastsinn und näher kommt man nicht ran, mit anderen Sinnen.

Fühlen und spüren wenn sich das Eisen beim Formen und Modelieren bewegt. Die Hitze spüren beim Schmieden. Da baut sich eine Beziehung zum Objekt auf und es macht keinen Unterschied, ob man mit dem Hammer arbeitet oder es streichelt.

Oliver Beran

Beim Schwimmen, ganz besonders im Meer, legt sich das weiche Wasser wie eine zweite Haut um den Körper. Meerumschlungen gleitet man schwerelos über die Wasseroberfläche, um dann in eine völlig andere Welt abzutauchen. Beim Schwimmen und Tauchen liegen alle Sinne nah beieinander, aber das Körpergefühl auf der Haut ist unvergleichlich.

Vera Greif

Hören

Unser Hörsinn ist von allen fünf Sinnen der differenzierteste. Das Ohr ist sensibler, genauer und auch leistungsfähiger als unser Auge. Bereits vor der Geburt ist er so ausgebildet, dass der Embryo Stimmen wahrnehmen kann.

Absolute Stille gibt es nicht, aber ich träume davon. John Cage, einer der berühmtesten Avantgarde-Komponisten, war in den 1940ern in einem schallisolierten Raum an der Harvard University und sprach von einer Bewusstseinsveränderung, einer Wandlung. Er hörte sein Blut fließen. Ergebnis dieses Experiments war dann das von ihm berühmte Stück „4’33“: David Tudor, Pianist der Uraufführung, würfelte die Länge der drei Sätze kurz bevor er die Bühne betrat: 33 Sekunden, 160 Sekunden, 120 Sekunden – macht 4’33. Absolute Stille. Nichts.

Vera Greif

Als Musiker und Sound Designer ist für mich das Hören einer der wichtigsten Sinne von allen. Durch den Einsatz von Klängen können Bilder und Filme einen komplett andere Kontext und Emotionswelten transportiert werden. Für mich ist es besonders spannend, Geräusche zu erkunden und neue Klangwelten zu erschaffen.

Daniel Mihaila

Das Hören ist Lust und Pein.  Das Geräusch des Windes oder des Wassers und insbesondere die Musik kann mich in wahre Euphorie versetzen. Aber in einer immer lauter werdenden Gesellschaft ist man stets von einem quälenden Lärm umgeben und ich sehne mich zunehmend nach Stille.

Vera Greif

Töne, in Verbindung mit Bildern oder nur als Geräusch, erzeugen oder greifen auf Situationen zurück, die als innere Bilder gedanklich abgespeichert werden oder wurden. Sie beeinflussen die menschliche Psyche und können wohltuen oder auch verletzen. Wenn ich Musik höre, kann ich mich bei bestimmten Liedern gedanklich in eine andere Zeit beamen und als positiven Anker verwenden.

Töne können auch als Farben oder Formen wiedergegeben und gesehen werden. Die häufigste Synästhesieform ist die Musik-Farbe-Synästhesie, die therapeutisch und künstlerisch viele Umsetzungsmöglichkeiten bietet. Es gibt viele Menschen die diese Form für sich verwenden können. Es gibt aber auch viele Menschen, die es nur nicht wissen, dass sie diese Fähigkeit besitzen.

Lutz Wlczok

Schmecken

Schmecken ist ein Sinn, der nicht nur Genuss verschafft, sondern auch der Gesundheit dient. Die Zunge ist das Hauptorgan für unseren Geschmackssinn, der eng mit anderen Sinneseindrücken verbunden ist.

Gute Köche können mit ihren Gerichten eine wahre Geschmacksexplosion im Mund erreichen. Aber wenn ich an Geschmack denke, denke ich nicht nur an Essen, sondern beispielsweise auch an den Geschmack des Meeres oder den der Haut eines Menschen.

Vera Greif

Der "sechste" Sinn

Der Ausdruck „sechster Sinn“ wird verwendet, wenn jemand etwas bemerkt, ohne es (bewusst) mit den bekannten Sinnesorganen wahrzunehmen, was manchmal im Sinne einer „außersinnlichen Wahrnehmung“ empfunden oder imaginiert werden kann.

Die moderne Physiologie kennt für den Menschen klassischerweise noch vier weitere Sinne: Temperatursinn, Schmerzempfindeung, Gleichgewichtssinn, Tiefensensibilität (Propriozeption, Organsinne).

Die 5 Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) sind untrennbar mit dem verbunden, WAS ich sehe, rieche, schmecke usw. Je nachdem, was ich sehe… löst es in mir die ganze Bandbreite zwischen Freude, Lust, Wohlgefühl und Sicherheit aus, auf der anderen Seite Angst, Panik, Furcht, Schrecken, Wut, Ekel und auch Schmerz. Diese Empfindungen sind sowohl körperlicher als auch seelischer Art. Die Empfindungen sind von frühkindlicher Prägung und persönlichen Lebenserfahrungen abhängig. Den 7. oder auch 6. Sinn ordne ich in diese Bereiche ein. Mir ist das Fühlen und Geschehen wichtig, das die Sinne hervorrufen können.

Mein besonderes Interesse gilt der Angst, der Unsicherheit, auch der Wut und dem Schmerz (seelisch, körperlich), die durch die Sinne ausgelöst werden. Übergeordnet sind sie dem Sehsinn zuzuordnen.

Eva Maria Kränzlein